Mittwoch, 08. September 2021, Hersfelder Zeitung / Lokales
„Hier ist kein Tag wie der andere“
SOMMERINTERVIEW – mit Bürgermeister Klaus Wagner aus Oberaula
VON CHRISTINE ZACHARIAS
Bürgermeister Klaus Wagner an seinem liebsten Arbeitsplatz im Garten des Hotels „Zum Stern“ in Oberaula. Hier finden oft Trauungen statt, die er als Standesbeamter vollzieht. Das ist eine seiner Lieblingsaufgaben. Foto: Christine Zacharias
Der Oberaulaer Bürgermeister Klaus Wagner zieht in unserem Sommerinterview nicht nur eine Bilanz der vergangenen Monate, er erklärt auch, warum er weiterhin Bürgermeister bleiben möchte. Am 26. September ist Bürgermeisterwahl
Herr Wagner, wie ist die Gemeinde Oberaula bisher durch die Corona-Pandemie gekommen?
Gott sei Dank ziemlich gut. Wir haben zurzeit keine Erkrankten. Eine Familie ist noch in Quarantäne. Wir hatten leider zwei Todesfälle in der Gemeinde. Wir sind froh, dass die Impfbereitschaft relativ hoch ist und dass das mobile Impfteam zu uns in die Mehrzweckhalle kommt.
Gab es finanzielle Probleme für die Gemeinde?
Bisher zum Glück nein. Wir haben, wie die meisten anderen ländlichen Kommunen davon profitiert, dass die Landesregierung die Gewerbesteuerausfälle kompensiert hat. Bei uns hat es in einigen Bereichen gebrummt, aber gerade für die Hotellerie und Gastronomie war es hart. Ich habe aber den Eindruck, dass das Geschäft hier wieder deutlich ins Laufen kommt. Ich hoffe sehr, dass die steigenden Inzidenzen, die wir gerade haben, nicht unsere Regierenden dazu bewegen, noch mal größere Einschränkungen zu machen. Die sollten dann tatsächlich nur nicht geimpfte Erwachsene betreffen. Wer sich nicht impfen lassen will, sollte auch die Konsequenzen tragen.
Wie haben Sie als kleine Gemeinde den organisatorischen Mehraufwand gestemmt?
Wir haben den Vorteil, dass wir so eine kleine Mannschaft sind, dass wir ohne Homeoffice durch die Pandemie gegangen sind. Hier im Rathaus hat jeder Mitarbeiter sein eigenes Büro. Wir haben natürlich im Bauhof Teams gebildet und in den Kitas feste Gruppen. Die Eltern waren bei uns auch weitgehend vernünftig. Die meisten haben eingesehen, dass der beste Schutz für ihr Kind ist, wenn es zuhause bleibt. Dafür haben wir die Gebühren stufenweise reduziert. Für die Kitas haben wir CO2-Warnampeln gekauft, die anzeigen, wann gelüftet werden soll. Luftfilter haben wir nicht angeschafft, weil wir Räumlichkeiten haben, die man sehr gut lüften kann.
Oberaula ist eine der ersten Gemeinden in der Region, die auf einen größeren Zusammenschluss der Feuerwehren setzt. Wie ist die Stimmung bei den Feuerwehren und wie sieht es mit der Planung aus?
Das Thema wurde bei uns von der Feuerwehr aufgegriffen. Die Führungscrew der Feuerwehr hat intern schon vor drei Jahren Ideen dazu entwickelt. Anfangs gab es ziemlich viel Gegenwind, aber je mehr sich die Feuerwehrleute damit beschäftigt haben, desto mehr stieg die Zustimmung. Wir haben niemanden unter Druck gesetzt. Und am Ende haben fünf der sechs Einsatzabteilungen und zuletzt fast alle Feuerwehrleute mit Blick auf den Personalstand und oft auch auf den Zustand der Feuerwehrhäuser der Fusion zugestimmt. Die Wehr aus Olberode, die noch eine ordentliche Einsatzstärke hat, will und wird selbstständig bleiben.
Und wie hat die Politik auf die Pläne reagiert?
Letztlich haben auch die Gremien zugestimmt. Am Anfang gab es zwar Bedenken, dass das zu teuer und zu groß sein könnte, aber wir sind sehr sicher, dass auch die Erneuerung aller alten Häuser mehrere Millionen gekostet hätte. Und dann hätten wir immer noch fünf alte Häuser gehabt. Das, was wir jetzt machen, ist kalkuliert mit 3,4 Millionen Euro. Es ist das größte Einzelprojekt in der Geschichte der Gemeinde.
Wie ist der Zeitplan für die Umsetzung?
In den nächsten Wochen wird der Bauantrag gestellt. Es wird dann mit den ersten Ausschreibungen im Spätherbst losgehen. Wir hoffen, dass wir bis Weihnachten erste Submissionen haben werden. Für Mitte nächsten Jahres planen wir das Richtfest und dann ist noch eine Menge zu tun mit dem Innenausbau. Fertigstellung ist voraussichtlich Mitte 2023.
Oberaula ist auch im Bereich der interkommunalen Zusammenarbeit beispiel- gebend. Wie sind die Erfahrungen mit dem Gemeindeverwaltungsverband Südlicher Knüll, an dem auch Ottrau und Neukirchen beteiligt sind?
Es hat ziemlich lange gedauert, bis man konkret etwas gesehen hat. Die Vereinbarung hat ja noch mein Vorgänger Karl-Heinz Vestweber unterschrieben. 2010 ist die Satzung über die interkommunale Zusammenarbeit verabschiedet worden. Jetzt sind wir elfeinhalb Jahre weiter. Wir haben inzwischen viele Bereiche der Verwaltung zusammengelegt. Gemeinsam haben wird Kasse, Bauverwaltung, Lohnbuchhaltung und Standesamt. In jedem der Bereiche hat’s am Anfang ein bisschen geknirscht, aber nach relativ kurzer Zeit haben wir gemerkt, dass es eine gute Entscheidung ist zusammenzuarbeiten.
Können Sie ein Beispiel nennen?
Oberaula hatte, bevor wir die Kassen zusammengelegt haben, einen enormen Rückstand bei den Jahresabschlüssen. Das ist ja ein Thema, das viele Gemeinden betrifft. Wir haben das unglaublich schnell aufholen können, nachdem die gemeinsame Kasse erst einmal eingerichtet war. Die Mitarbeiterinnen haben dann alle zusammen relativ schnell die fehlenden Abschlüsse nachgeholt. Wir sind jetzt am Abschluss 2020.
Ist an eine Intensivierung der Zusammenarbeit oder gar eine Fusion gedacht?
Wir haben ein Büro mit einer Machbarkeitsstudie für eine Fusion beauftragt. Aber die Sache ist ergebnisoffen. Für mich ist die Fusion der allerletzte Schritt. Das muss über einen Bürgerentscheid gehen, das können die Parlamente gar nicht beschließen. Ich glaube nicht, dass in meiner nächsten Amtszeit noch eine Fusion zustande kommt. Wenn man das zu schnell macht und die Bürger nicht mitnimmt, dann wird es definitiv scheitern.
Die Flutkatastrophe in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz hat die Hochwassergefahr wieder sehr ins Blickfeld gerückt. Wie schätzen Sie die Gefahrenlage für das Gemeindegebiet von Oberaula ein?
Wir haben schon mit dem Land Verbindung aufgenommen, damit wir Gewässerfließkarten für Hochwasserereignisse bekommen. Für diese Karten werden unter anderem neue Luftaufnahmen in sehr hoher Auflösung gemacht. In allen Ortsteilen gibt’s Häuser, die so tief liegen, dass sie hochwassergefährdet sind. Im Zuge der Wasserrahmenrichtlinie soll die Aula renaturiert werden, sodass Zonen entstehen, in denen das Wasser sich ausbreiten kann.
Sie streben als Bürgermeister eine weitere Amtszeit an. Was gefällt Ihnen an Ihrem Amt?
Ich habe in meinem Leben schon verschiedene Berufe gehabt. Alle waren sehr, sehr abwechslungsreich. Hier ist kein Tag wie der andere. Es ist so vielfältig, von Kleinproblemen oder Nachbarschaftsstreitigkeiten bis zu Riesenprojekten, wie unserem Feuerwehrhaus, von Hundekothaufen auf dem Gehweg bis hin zu schlimmen Brandfällen, wie jetzt an Pfingsten, wo wir für eine Familie von jetzt auf gleich ein Quartier suchen mussten. Die Flüchtlingskrise haben wir in Oberaula prima bewältigt mit ganz vielen Ehrenamtlichen. Das ist überhaupt etwas Schönes: Wenn man hier ruft und sagt, ich brauche Helfer, dann kommen immer welche. Da gibt es zum Beispiel seit über zehn Jahren eine Gruppe Friedhofspflege, die regelmäßig Arbeitseinsätze macht und sich in rührender Weise um den Friedhof kümmert. Es gibt natürlich auch Tage, die sind nicht so schön. Zuletzt hatten wir enorme Probleme mit der Müllabfuhr und die frustrierten Bürger riefen dann alle bei uns an. Es bereitet mir ein bisschen Sorge, dass das Verhalten Einzelner gegenüber der Verwaltung immer wieder ein Mindestmaß an Höflichkeit vermissen lässt. Aber wenn ich für jeden Tag ein Plus oder ein Minus machen müsste, dann sind viel mehr Plus- als Minuszeichen auf der Liste
Wenn Sie Bilanz ziehen: Was waren die wichtigsten Projekte, die Sie bisher umgesetzt haben?
Ich glaube, das Wichtigste war der Umbau der alten Schule zum Sozialzentrum Das ist ein Projekt, das hoffentlich Generationen trägt. Wir haben das leer stehende Gebäude, das ein großes Ärgernis war, mit vielen Fördermitteln und einem gehörigen Gemeindeanteil zu einem beispielgebenden Projekt ausgebaut mit Arztpraxis, Physiotherapie und einem Pflegedienst mit Betreutem Wohnen – und alles läuft gut. Wichtig waren auch einige Straßenbauprojekte, wie die Ortsdurchfahrt Wahlshausen, die in katastrophalem Zustand war. Der Waldkindergarten ist gerade eröffnet worden. Wir sind sehr hoffnungsfroh, dass das ein zukunftsfähiges Projekt ist.
Was kommt jetzt in der nächsten Amtszeit auf Sie zu – außer der Feuerwehr?
Was ein Riesenprojekt sein wird, ist die Digitalisierung der Verwaltung, auch bei uns in der kleinen Kommune. Beim Straßenbau haben wir gemeinsam mit Land und Bund ganz große Projekte vor uns: Die Ortsdurchfahrt Oberaula der Bundesstraße steht in drei bis vier Jahren an. Wir haben erheblichen Sanierungsbedarf bei Landesstraßen. Die Bahnhofsstraße in Oberaula, zum Beispiel, ist in wirklich desolatem Zustand. Ganz viele Sachen haben wir schon begonnen und müssen sie nur noch abschließen. Wir werden noch in diesem Jahr einen Premium-Spazierweg in Oberaula einweihen und im nächsten Jahr den zweiten. Damit hoffen wir, dem Wandertourismus, der sehr wichtig ist für die Region, einen neuen Schub zu geben. Bauplätze sind ein weiteres großes Projekt. Da suchen im Moment alle Gremien nach geeigneten Flächen. Wir haben eine ganze Menge junge Familien, die warten schon drauf, dass es endlich attraktives Bauland in Oberaula zu bezahlbaren Preisen gibt.
Auch der Bürgermeister muss mal Urlaub machen. Wie haben Sie Ihre Ferien verbracht?
Wir waren zu Hause und haben etliche Tagesausflüge gemacht. Wir haben seit knapp zwei Jahren einen großen Hund, und dem macht es, ebenso wie uns, großen Spaß Wanderungen in der Region zu unternehmen. Unser Lieblingsgebiet ist die Rhön, aber auch der Vogelsberg, der Thüringer Wald und natürlich auch der Knüll direkt vor der Haustür bietet eine ganze Menge. Geplant ist im Herbst noch eine Woche Ostsee.