19.10.2025
Mit Tränen in den Augen schildern die Studentinnen Kseniia Vorobiova und Sascha Horbachova, wie sehr der Krieg in ihrem Heimatland das Leben der Menschen einschränkt. usammen mit dem 21-jährigen Mykhailo Kotov haben sie für ein paar Tage die weite Zugreise aus ihrem Studienort Winnyzja ins beschauliche Hausen auf sich genommen. I – Fotos: Hans-Hubertus Braune
Brutale Situation: Hilfe für Seelenleben der jungen Menschen im Ukraine-Krieg
Studentinnen berichten unter Tränen
HAUSEN – Mit Tränen in den Augen schildern die Studentinnen Kseniia Vorobiova und Sascha Horbachova, wie sehr der Krieg in ihrem Heimatland das Leben der Menschen einschränkt. Seitdem immer mehr Drohnen auch weit hinter die Frontlinien in der Ukraine gefeuert werden, herrscht noch mehr Angst und Schrecken.
Zusammen mit dem 21-jährigen Mykhailo Kotov haben sie für ein paar Tage die weite Zugreise aus ihrem Studienort Winnyzja ins beschauliche Hausen auf sich genommen. In der Gemeinde Oberaula (Schwalm-Eder-Kreis) engagieren sich Donata Freifrau Schenck zu Schweinsberg und der Neurologe Frank Lutz leidenschaftlich, um den Mitmenschen im Kriegsgebiet zu helfen, ihnen Hoffnung und Mut zu geben.
Schrecken durch Sirenengeheul
Wie sehr sie der Krieg in ihrer Heimat mitnimmt, verdeutlicht folgende Situation: „Am Sonntagvormittag gingen bei uns in Hausen die Sirenen. Sie sind regelrecht zusammengezuckt und hatten Angst“, schildert Donata Schenck. Die Präsidentin des Kreisverbandes Fulda vom Deutschen Roten Kreuz (DRK) hat die drei Gäste bei sich zu Hause aufgenommen. „Wir haben in diesen Tagen viel zusammen geweint, aber auch gelacht“, erzählt sie.
Die drei jungen Leute im Alter zwischen 19 und 21 Jahren studieren in der rund 368.000 Einwohner zählenden Unistadt Winnyzja Medizin mit dem Schwerpunkt Kinder- und Jugendpsychiatrie. Die Stadt liegt etwa 250 Kilometer südwestlich der Hauptstadt Kiew. Dort ist es vergleichsweise friedlich, Luftalarmierungen sind aber auch dort an der Tages- und Nachtordnung. Sie stammen jedoch aus Regionen, wo der Krieg noch viel schlimmer wütet. Mykhailo hat beispielsweise keinen Kontakt mehr zu seinen Eltern. Er kann sie nicht mal telefonisch erreichen oder ihnen Geld schicken, um ihnen zu helfen. Er ist von zu Hause weg, um Medizin zu studieren.
Es geht nicht ums Leben, sondern ums Überleben
Es geht nicht ums Leben, sondern ums Überleben. Für uns in Deutschland ist der Krieg oftmals allenfalls eine Randnotiz in den Nachrichtensendungen. Brennende Häuser, Tote, Verletzte. Ja schrecklich, aber schnell wieder vergessen bis zur nächsten Tagesschau. „Wir haben im Laufe des Krieges in der Ukraine gesehen, dass es nicht nur wichtig ist, Päckchen zu packen und zu verschicken, sondern dass es wichtig ist zu helfen, zu unterstützen, an der Seite der Bevölkerung zu stehen“, sagte Schenck zur Begrüßung am Sonntagabend im Oberaulaer Ortsteil Hausen.
In der wunderschönen Patronatskirche haben sich neben den Studenten aus der Ukraine auch Alla Lendiuk, Chefärztin der neu gegründeten Einrichtung und Anastasia Matierramova, Leiterin der medizinischen Mission „Frida Ukraine“ und die technische Leiterin Olena Lisevych eingefunden. Zusammen mit den Fachärzten und Unterstützern aus Deutschland haben sie sich über die aktuelle Situation ausgetauscht. Es geht um den Aufbau einer Psychiatrie für junge Leute in Winnyzja. Der Bedarf ist vorstellbar groß. Den jungen Leuten wird durch den Krieg ihre Jugend genommen.
Klinikum Stuttgart bietet Kooperation an
Unter den Gästen weilte auch Oberarzt Julian Merrill vom Klinikum Stuttgart: „Ich habe mich sehr über die Einladung von Herrn Lutz gefreut, bei der Veranstaltung zu sprechen. Besonders bewegend fand ich die Redebeiträge der ukrainischen Medizinstudierenden sowie von Alla, der Leiterin der neuen Kollegin in Winnyzja. Auch die herzliche Gastfreundschaft von Donata von Schenk, die uns alle zu Hause bewirtet hat, hat mich sehr beeindruckt“, erklärte er später gegenüber OSTHESSEN|NEWS.
Zur Freude der örtlichen Initiative, wird Merrill ebenso wie der Münchener Diplom-Psychologe Andreas Schnebel künftig die Arbeit der nord-/osthessischen Initiative unterstützen: „Eine Kooperation zwischen dem Klinikum Stuttgart und der Kinder- und Jugendpsychiatrie in Winnyzja sowie einer Psychiatrie in Iwano-Frankiwsk wird von der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) im Rahmen des Programms Klinikpartnerschaften des BMZ gefördert.
Geplant sind wechselseitige Hospitationen: Kolleginnen und Kollegen aus der Ukraine werden im Klinikum Stuttgart in der Kinder- und Jugendpsychiatrie hospitieren, während mindestens sieben Mitarbeitende unseres Klinikums vor Ort die Strukturen in Winnyzja und Iwano-Frankiwsk (Hospitationen von einem Monat) unterstützen werden“, schreibt der Oberarzt aus der schwäbischen Metropole. Genau dies ist auch das Ziel von Donata Schenck und Frank Lutz.
Fachaustausch zwischen Winnyzja, Stuttgart und München
„Mein Traum ist es, dass wir den jungen Menschen eine Perspektive geben, ihnen Mut und Hoffnung machen. Wir stellen uns einen regelmäßigen fachlichen Austausch mit den Fachleuten aus Stuttgart, München und Winnyzja vor und wollen so die gegenseitige Unterstützung fördern“, sagt Schenck. Sie führte gemeinsam mit Frank Lutz durch den Abend in der Kirche. Der Neurologe war viele Jahre lang international, etwa im Iran oder dem Irak tätig, zuletzt praktizierte er in Bad Hersfeld und Ziegenhain. Im November werde er wieder in die Ukraine reisen und vor Ort anpacken
Für die neu gegründete Kinderpsychiatrie wurden im vergangenen Jahr Gelder für den Einbau von Duschen udn Toiletten gesammelt. „Wir haben den Grundstein für diese Klinik gelegt, die von den Ärzten geweißelt und gestrichen wurde und im Frühjahr konnten die ersten 20 Patienten aufgenommen werden“, sagt Schenck. Jetzt stehe die Ausstattung mit medizinischen Geräten im Fokus. Über ihr Netzwerk konnten sie sogar einen gebrauchten Rettungswagen organisieren. Dieser werde direkt nach Winnyzja gebracht.
In seinem Grußwort zeigte sich der heimische Bundestagsabgeordnete Wilhelm Gebhard (CDU, Wanfried) tief beeindruckt vom Engagement. Er ist als Wahlkreisbetreuer neben Hersfeld-Rotenburg und dem Werra-Meißner-Kreis auch für den weitläufigen Schwalm-Eder-Kreis zuständig. „Wir dürfen die Menschen dort nicht vergessen, und wir alle hoffen darauf, dass dieser Krieg hoffentlich bald ein Ende findet“, sagte Gebhard.
Auch die Vizepräsidentin des DRK Hessen, Brigitte Wettengel, lobte die Hilfe und sprach den Gästen aus der Ukraine Mut zu. „Füreinander da – Miteinander stark. Das Leitmotiv des DRK passt sehr gut. Wir sind für Sie da“, sagte Wettengel in englischer Sprache an die jungen Leute. Sie dankte ihnen für ihre Courage, die weite Reise auf sich zu nehmen und so offen über die Situation ihrer Familien, Freunde und allen Menschen in der Ukraine zu berichten.
Fröhliche Momente brachten die Tanzmäuse aus Oberaula mit ihren wunderschönen Auftritten in die Kirche. Zusammen mit ihrer Trainer Renate Willhardt hatten sie sogar fast 600 Euro an Spendengeldern gesammelt und einen entsprechenden Scheck überreicht. Musiker Björn Diehl sorgte für einen stimmungsvollen Bogen. Bischöfin Beate Hofmann (Evangelische Kirche von Kurhessen-Waldeck) würdigte das Engagement in einem Grußwort.
Am Montag reisten Kseniia Vorobiova, Mykhailo Kotov und Sascha Horbachova zurück nach Winnyzja. „Wir sehen uns nie wieder“, sagte Mykhailo beim Abschied unter Tränen. In Kürze wird er 22 Jahre und darf dann nicht mehr ausreisen. Donata Schenck sprach ihm und den beiden Medizin-Studentinnen Zuversicht zu. „Deine Zeit zu helfen, kommt noch.“ (Hans-Hubertus Braune) +++