01.01.24
Trixi von Dörnberg: auch mit 80 noch ein großes Herz für „schlimme Jungs“
Trixi von Dörnberg: mit 80 Jahren noch mit Farbe im Leben, Güte im Herzen und der Sonne in der Hand. – Fotos: goa
Sie ist eine mehr als beeindruckende Persönlichkeit, eine Dame im besten Sinne des Wortes. Man erntet im kurzweiligen Gespräch mit ihr viel Wärme und Herzlichkeit. Dass sie adelig ist, spielt im Gespräch mit ihr keine Rolle, sonst würden ihre „Ersatzkinder“ garantiert nicht den Kontakt zu ihr suchen und halten. Trixi von Dörnberg ist 80 Jahre alt, wie sie nicht ohne Stolz verrät, und immer noch voller Motivation und bunter Lebensfreude. Nachdem die eigenen drei Kinder als Erwachsene in die Welt gingen, fand sie vor vielen Jahren eine neue Berufung: Ersatz-Mama zu sein für sogenannte „schlimme Jungs“.
Trixi von Dörnberg litt unter dem Weggang der eigenen erwachsenen Kinder. Den Rat ihres Mannes Jürgen befolgte sie und nahm andere Kinder, weit überwiegend Jungs, zu sich ins Hause von Dörnberg an den Herzberg auf. Was unter dem Programmnamen „Happy Child“ zunächst die Kinder von Ärzten und Anwälten aus dem Rhein-Main-Gebiet während der Oster- und Herbstferien betraf, richtete sich schon bald auf sogenannte „Problemfälle“: aggressiv-gewalttätig oder scheu-zurückgezogen, scheinbar ohne Perspektive – Jugendamt, Bürgermeister oder Pfarrer schickten ihr Eltern mit solchen Kindern. Ein eigenes gemütliches Zimmer mit Bad und jede Menge Natur fanden die Kids dort vor – aber vor allem Zuneigung, offene Ohren, menschliche Wärme.
Gelebte Fürsorge und echtes Interesse an den Schicksalen. „Ich helfe Allen, die sich im Leben nicht richtig verstanden fühlen, die den Kummer in sich hineinfressen. Viele haben ihre Kapuzen über den Kopf gezogen und schauen mit verschränkten Armen nur nach unten – das Leben soll nicht an sie herankommen“, beschreibt die ‚Ersatzmama auf Zeit‘ das, was sie häufig vorfindet. „Sieh‘ doch mal nach oben!“ habe sie dann oft geraten und ihnen viel zugehört. Trixi von Dörnberg verfügt über kein Pädagogik-Studium: „Es war mir einfach ein natürliches Bedürfnis, jungen Menschen ein würdevolles Erleben der eigenen Person zu ermöglichen. Dafür braucht es Zuneigung, angemessenes Lob und Anerkennung!“ Den Erfolg ihres Tuns konnte sie schnell erkennen, wenn sie überraschende, glückliche Sätze hörte wie „Das hat ja noch nie jemand zu mir gesagt!“.
Einer der in ihrem Buch beschriebenen Jungs, der anfangs noch sehr aufmüpfig war – inzwischen ist er ein junger, erfolgreicher Mann – war kürzlich wieder mal zu Besuch im Hause von Dörnberg. „Das waren die zwei schönsten Jahre meines Lebens“, habe er in der Rückschau zu seiner Zeit dort gesagt. „Meine Art, auf ihn einzuwirken, sei wie ein Gerüst um ihn herum gewesen, sagte er. Bei einer Unsicherheit habe er sich an diesem imaginären Gerüst festgehalten und sich dabei gefragt ‚Was würde mir Trixi jetzt wohl raten?‘.“
Burg und Mammutbaum als Sinnbild
Das in einem herrlichen Gartenpark gelegene von Dörnbergsche Anwesen liefert der Ergänzungs-Mama stimmige Bilder zu ihren Botschaften: im Garten, aber auch in unmittelbarer Nähe an und in der beeindruckenden siebentürmigen Höhenburg Burg Herzberg. Die denkmalgeschützte Burg befindet sich seit Jahrhunderten im Besitz der Familie von Dörnberg. Im 30jährigen Krieg wurde sie zwar intensiv belagert, aber nie eingenommen. Die Burg wurde auch bis heute niemals aufgegeben, obwohl es eine Herkulesaufgabe ist, sie zu erhalten. Trixi von Dörnberg nimmt ihre Jungs mit zur imposanten Burgmauer. „So stark wie diese Burg musst du sein!“ Oder sie zeigt ihnen den Mammutbaum im eigenen Garten. Die Metasequoias hatten es vor vielen Jahren Trixi und ihrem Mann Jürgen bei einer Kalifornien-Reise angetan: ein mächtiger Stamm mit tiefen Wurzeln – den stärksten Herausforderungen trotzend, wie die Burg. Solch ein Baum wurde nach der Rückkehr aus Kalifornien als Setzling gepflanzt. Der in den ungefähr 20 Jahren zu verzeichnende Wuchs des Mammutbaums verfehlt seine Wirkung nicht: „Die Burg und ein solcher Baum – das sind eindrückliche Bilder, die etwas mit den Jungs machen.“ Standhaft sein, sich nicht unterkriegen lassen – wie könnte man das besser illustrieren und körperlich erfahrbar machen?
Eines Tages erhielt Trixi Besuch von einem ihrer Jungs, mittlerweile 21 Jahre alt. Aus einer zunächst heiter-gelösten Stimmung heraus wurde er im Gespräch tieftraurig, als zur Sprache kam, dass er zwar getauft, aber nicht konfirmiert sei. Da er seinerzeit von der Burg sehr beeindruckt war, schlug Trixi ihm vor, ihn nachträglich in der Burgkapelle konfirmieren zu lassen. „Für Pfarrer Stefan Wagener von der an die Burg angrenzenden Kirchengemeinde Bechtelsberg war klar: wenn jemand den Weg zu Gott sucht, soll man ihm helfen, ihn zu finden. Ich habe also „meinen jungen Mann“ zum Konfirmandenunterricht bei Pfarrer Wagener gebracht. Die feierliche Konfirmation selbst fand dann in der geschmückten Burgkapelle statt, zu der sich der Konfirmand auch fein rausgeputzt hatte. Sogar seinen Haarzopf hatte er sich extra abgeschnitten. Während der Gottesdienstfeier drehte er sich mehrfach um, die Tränen der Freude und Rührung kullerten über die Wangen.“ War das tatsächlich der gleiche Junge, der zu Beginn des Miteinanders an der Bushaltestelle ausnahmslos verbal unflätig, sogar körperlich aggressiv auffällig war?
Trixi von Dörnberg als Buchautorin
Über ihre „Arbeit“ mit den Jugendlichen hat Trixi von Dörnberg 2011 ein Buch geschrieben: „Schlimme Jungs – Warum auch jugendliche Tyrannen ein Recht auf Liebe haben“. Prof.Dr.Dr. Friedrich Wilhelm Graf, evangelischer Theologe und emeritierter Professor für Systematische Theologie und Ethik, bringt es in seinem Buch-Vorwort auf den Punkt: „Das Beispiel Trixi von Dörnberg zeigt, dass in manchen überaus schwierigen Problemlagen der Wagemut und die Überzeugungskraft einer Einzelnen hilfreicher sein können als die therapeutischen Angebote großer Sozialdienstleister. (…) Es ist die eigentümliche, ganz individuelle Verknüpfung von großem Freiheitsmut, Herzensgüte und entschiedener Regeltreue, die sie für ihre „Problemjungen“ zur hilfreichen Ersatzmutter und auch zu einem Vorbild an Geradlinigkeit und Gesinnungstreue macht.“
Auch nach dem Tod ihres Mannes Jürgen vor wenigen Monaten führt Trixi von Dörnberg ihr Überzeugungs-Engagement fort, allerdings mit der Modifikation, dass die Jungs dort nicht mehr übernachten, sondern sich nur noch zu Tagesaufenthalten dort befinden.
Ihre Tage beschließt sie mit allabendlichen Gesprächen mit ihrem verstorbenen Mann und mit Gebeten, Gott möge ihr weiterhin bei ihrer Arbeit mit den Jugendlichen beistehen. „Ich merke, dass ich diese Kraft und die Freude an der Tätigkeit nach wie vor habe!“ So möge es noch lange bleiben – helfende, verstehende, Zuwendung-spendende Menschen wie Trixi von Dörnberg sind heute doch wichtiger denn je. (goa) +++